Geschichte der Wiesenkirche

von Hans Dieter Bödecker

I.


Von den sieben prächtigen Kirchen aus dem Mittelalter, die man noch heute innerhalb der Stadtmauern der alten Hansestadt Soest finden kann, ist eine unsere schöne Wiesenkirche.

"Die Wiesenkirche ist eine gotische Hallenkirche von überwältigender innerer Logik der Maße: weit, hell und klar; die Dienste steigen an den schlanken Säulen ohne Kapitell zu den Rippen, alte und gute Glasmalerei gibt die farbige Tönung zu dem weichen Grün des Steins" (Theodor Heuss)

Das Besondere unserer Kirche liegt wohl in der Harmonie der wunderbaren gotischen Architektur, dem "grünen Sandstein", aus dem die Kirche erbaut wurde, den mittelalterlichen Glasfenstern und den noch vorhandenen  Kult- und  Kunstwerken. Trotz  der unterschiedlichen Bauphasen und Baumeister bildet sie ein harmonisches Ganzes. Bis zu 200 Besucher kommen täglich in unsere Kirche, doch für uns als Gemeinde und auch für die Bewohner der Stadt ist sie in erster Linie ein Haus, in dem seit Jahrhunderten  schon Gottesdienst gehalten wird, Trauungen und Taufen  stattfinden und der Verstorbenen gedacht wird.

Trotz all der Schönheit und der vielen Sehenswürdigkeiten ist sie ein Ort der Besinnung und des Gebets.

II.

Die Grundsteinlegung zum Bau der gotischen Hallenkirche St. Maria zur Wiese erfolgte im Jahre 1313 durch den Baumeister Johannes Schendeler.

1376 wurde der Chor der Wiesenkirche geweiht. 

Im Jahre 1530 war nach Jahrhunderten des Stillstandes mit der Vollendung des Westwerkes ein vorläufiger Abschluß des jüngsten mittelalterlichen Kirchenbaues in Soest erreicht.

Erst 300 Jahre später wurden dank der Förderung des preußischen Königshauses die beiden 81 m hohen Türme gebaut.
Am 15.10.1882 feierte die Gemeinde das Fest der Bauvollendung.

In den vergangenen 100 Jahren hat die Wiesenkirche durch einen starken Verwitterungsprozeß des "Soester Grünsandsteins" einen ständigen Restaurierungsbedarf erzeugt. Durch die Opferbereitschaft der Gemeinde und Freunde dieses Bauwerkes sowie, mit staatlicher und kirchlicher Unterstützung konnten die dringend notwendigen Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt werden. 

Schwer beschädigt wurde die Wiesenkirche im 2. Weltkrieg (1939-1945). Eine im Mittelschiff explodierende Bombe brachte 3 Gewölbe zum Einsturz; 1 Pfeiler wurde stark zerstört. Vernichtet wurden die Kanzel und der Barockaltar. Die Wiedereinweihung nach den Kriegszerstörungen erfolgte am 15.10.1950 durch den Bundespräsidenten Dr. Theodor Heuß.

Nach der Renovierung des gesamten Innenraumes (1971-74) und des Außenmauerwerks (1978) beschloß das Presbyterium der Wiese-Georgs- Kirchengemeinde 1986 die vom Steinzerfall bedrohten Turmschäfte zu retten und sie in Form und Bauzier auf den Erstzustand des 19. Jahrhunderts zu restaurieren. (Siehe Abschnitt "Restaurierung") Mit den Arbeiten wurde 1987 begonnen. 

Maße der Wiesenkirche:

Der Architekt Memminger, der bei der Vollendung und Restaurierung der Wiesenkirche im vergangenen Jahrhundert verdienstvoll beteiligt war, hat festgestellt, daß man alle Abmessungen der Kirche durch Kreise von 13,5 m Durchmesser festlegen kann. Legt man ihrer drei nebeneinander, so umschreibt der östliche das Zehneck des Hauptchores, während die beiden anderen die Kirchenlänge bis zur Turnhalle ergeben. Mit dem gleichen Kreis lassen sich die vier Pfeiler des Langhauses umschließen; zwei dieser Kreise aneinandergereiht rühren an die Außenkanten der nördlichen und südlichen Umfassungsmauer. Der Radius dieser Kreise (= 6,75 m) stellt nach Memminger das Einheitsmaß für alle Bauteile dar; er ist im Durchmesser der Seitenchöre einmal, in der Höhe der Kirchenschiffe bis zum Scheitelpunkt der Gewölbe viermal, in der Turmhöhe bis zum Ansatz der Helme achtmal und bis zur Spitze (81 m) zwölfmal enthalten.

Tatsächlich betragen die Maße: 

Länge der Kirche 50 m,
Breite der KircheKirche 27 m
Höhe der Kirche 24 m
Länge des Kirchenschiffes ohne Chöre und Türme 29 m,

Rauminhalt 27.000 cbm,
Wand- und Deckenflächen 2.600 qm,

Fensterflächen 836 qm.
Aufteilung der Fenster im Hauptchor (20 m hoch) durch Maßwerkbrücken: nach dem "Goldenen Schnitt". 

 

Hans-Dieter Bödecker